Deus lo vult! Die dunkle Seite der Gülen-Bewegung

Der türkische Ministerpräsident Erdoğan kämpft gegen die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen und wirft ihr vor, in der Türkei einen „Staat im Staate“ gebildet zu haben. Auch in Deutschland bemüht sich Gülen um Einfluss. Ein Blick hinter die Fassade dieser klandestinen Organisation

Von  Mustafa Esmer  | 09.03.2014 (Erstveröffentlichung auf DTZ-News) 

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Deus lo vult! (deutsch: Gott will es)  antwortete am 27. November 1095 die Menschenmenge, als Papst Urban II. auf der Synode von Clermont zur Befreiung Jerusalems aufrief. Mit diesen Worten wurde der erste Kreuzzug begründet und den teilnehmenden Gotteskriegern jeweils die Absolution versprochen. Der Templerorden war es, der in dieser Zeit die ersten geistlichen Ritter hervorbrachte, die das Rittertum und das Mönchsein vereinten. “Das Kreuz nehmen” war ein Versprechen und Dienst in einem. Die Teilnahme kam für die Gläubigen einer Pilgerfahrt gleich, durch die ihnen ihre Sünden vergeben wurden. Sie wähnten sich im Auftrag Gottes, dessen Wille durch den Papst verkündet worden sei.

Ähnliche Strukturen beobachten wir unter den Anhängern Gülen´s und in seiner „Hizmet-Bewegung“. Das „Dienen“ ist nicht nur ein Versprechen, sondern gleicht einer Pilgerfahrt für die Gläubigen, an dessen Ende als Belohnung das Paradies auf sie wartet. Vergleichbar den Templern bezeichnen sich die Anhänger des in Pennsylvania/USA lebenden Predigers Fethullah Gülen auch als: „Soldaten des Lichts“. Dieser Glaube macht sie zu einer Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Während im ersten Beitrag die Bedeutung der Bildungseinrichtungen hervorgehoben wurde soll im folgenden Teil die latente Bedrohung durch das Netzwerk beschrieben werden. In Deutschland betreibt die Gülen-Gemeinde mehr als 300 Schulen, Nachhilfezentren, Medienunternehmen und ein Institut.

Die Notwendigkeit einer kritischen Bewertung 

Seit Jahren inszeniert sich die Gemeinde des muslimischen Predigers Fethullah Gülen als lose Initiative, interessiert an Bildung und dem Weltfrieden. Experten malen jedoch ein ganz anderes Bild von dieser Bewegung und beschreiben ihre klandestine Struktur, ihren machtpolitischen Ehrgeiz, das mutmaßliche Brainwashing junger Menschen, die kompromisslose Verfolgung von Kritikern und den Personenkult um Gülen als latente Gefahr. Aktuelle politische Machtkämpfe der Gülen-Anhänger mit den jeweiligen Regierungen in Aserbaidschan und Türkei geben uns einen Einblick, welche potenzielle Gefahr von dieser Gruppierung ausgeht.

Am 06. März 2014 vermeldeten die internationalen Nachrichtenagenturen, dass die Regierung in Aserbaidschan  alle Bildungseinrichtungen, die der Gülen-Bewegung zugerechnet werden, verstaatlicht habe. Auslöser war ein “communiqué interne”, adressiert an Fethullah Gülen persönlich und verfasst von Enver Özeren, dem Verantwortlichen für die Bildungseinrichtungen der Gülen-Gemeinde in Aserbaidschan, dass an die Öffentlichkeit durchgesickert ist. Enver Özerens Brief beinhaltet brisante Details über die Struktur und die politischen Ziele der Gemeinde in Aserbaidschan.

Entlarvende Textpassagen wie: „Durch die Arbeit unseres Freundes im Präsidialamt haben wir unsere Belegschaft im Innenministerium, Justizministerium und Bildungsministerium ganz in unserem Sinne ausbauen können“ wurden als Gefahr einer schleichende Unterwanderung der Staatsapparats gewertet und sofortige rechtsstaatliche Maßnahmen eingeleitet. Im ersten Schritt hat die aserbaidschanische Regierung alle Bildungseinrichtungen der Gemeinde verstaatlicht, wie der aserbaidschanische Fernsehsender ANS berichtete. Betroffen seien 13 Schulen (darunter auch die Çağ-Kafkas Universität in Baku) und 11 Nachhilfezentren. Die Ausprägungen einer Infiltration staatlicher Organe durch die Anhänger Gülen´s erleben wir derzeit auch in der türkischen Republik.

Die Hintergründe des Konflikts zwischen Gülen und Erdoğan

Im Jahr 2010 schien die Welt noch in Ordnung, als Fethullah Gülen in seinem Aufruf am 1. August 2010 an die türkische Nation appellierte, das von der Regierung initiierte Referendum zur Änderung der Verfassung zu unterstützen. Die Sache sei so wichtig, dass man eigentlich „selbst die Toten aus den Gräbern zur Stimmabgabe rufen“ müsse. Das Referendum wurde am 12. September desselben Jahres mit 58 Prozent Zustimmung angenommen.

Schon im Juni 2010 stritten sich Gülen und die Regierungspartei AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi; deutsch: Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) jedoch über die Flottille, die die israelische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollte und humanitäre Güter geladen hatte, um den Menschen in Gaza zu helfen. Die Aktion war von der türkisch-islamischen Hilfsorganisation IHH Humanitarian Relief Foundation geleitet worden und hatte mit Billigung Erdoğan´s stattgefunden.

Während die türkischen und muslimischen Medien einvernehmlich, die neun bei der Erstürmung des Leitschiffs „Mavi Marmara“ in internationalen Gewässern, von israelischen Soldaten, getöteten Türken als „Märtyrer“ bezeichneten und die türkische Regierung ihren Botschafter aus Tel Aviv abzog, missbilligte Gülen im Wall Street Journal die Aktion als unrechtmäßige Herausforderung der staatlichen Autorität Israels.

Die offene pro-israelische Positionierung Gülen´s betrachteten seine Kritiker als Beleg für eine Zusammenarbeit der Bewegung mit dem Staat Israel, versuchte dieser doch bereits seit Jahren die benannte Hilfsorganisation als Terrorgruppe zu brandmarken, was ihm bis heute jedoch nicht gelungen ist. Auf us-amerikanische Initiative hin, hat sich Israel am 22. März 2013, offiziell bei der türkischen Regierung für die unverhältnismäßige Erstürmung und Tötung von unbewaffneten Friedensaktivisten entschuldigt. Wie Günter Seufert in seiner Studie: „Überdehnt sich die Bewegung von Fethullah Gülen?

Eine türkische Religionsgemeinde als nationaler und internationaler Akteur“ beschreibt, seien drei miteinander aufs engste verbundene Komplexe ursächlich für den Konflikt. Die Seilschaften des Gülen-Netzwerks im Sicherheitsapparat, in der Justiz und in anderen sensiblen Politikbereichen.

Erdoğan selbst habe den Sondergerichten und den dort tätigen Staatsanwälten vorgeworfen, sich wie ein „Staat im Staate“ zu benehmen. Dass die Regierung diese Prozesse bei den Sondergerichten, deren Urteile sie wiederholt aufs Schärfste kritisiert, belassen habe, gewähre einen tiefen Einblick in die Machtbalancen und Winkelzüge der türkischen Politik. „Denn wären die Sondergerichte vollständig abgeschafft worden, hätte die Regierung mit einer Welle von Freilassungen von Angeklagten aus den Ergenekon-Verfahren und einer anschließenden Wiedererstarkung des Militärs rechnen müssen. […]“ . Für neue Staatsschutzverfahren hat die Regierung indessen regionale „Große Strafkammer(n)“ zuständig gemacht, was sie vor weiteren Aktionen der Seilschaften des Gülen-Netzwerks in Polizei und Justiz schützen soll.

Dass die Anhängerschaft Gülen´s auf eine konfrontative Haltung gegenüber der Regierung umschwenke, sei für Außenstehende vollkommen überraschend gewesen, denn jede noch so stark in der Bürokratie verankerte gesellschaftliche Kraft könne, ohne den Rückhalt des Militärs, in der Türkei, der Regierung nicht wirklich gefährlich werden. Man spricht deshalb bereits vom politischen Selbstmord der Bewegung. Er nennt drei Gründe dafür, dass die Bewegung ihre frühere politische Zurückhaltung und Vorsicht aufgegeben hat:

  • Zum einen seien mit dem großen Zulauf, den sie im letzen Jahrzehnt gefunden habe, auch ihre finanziellen, ökonomischen und politischen Möglichkeiten gewachsen. Damit seien auch die Erwartungen ihrer Angehörigen in ideeller und finanzieller Hinsicht gestiegen. Ein rentenökonomisches Denken sei eingezogen, das sich auf Posten in der Bürokratie, die Zuteilung von Staatsaufträgen, die Ausweisung von Bauland und die staatliche Förderung der ehemals privat initiierten Bildungseinrichtungen im In- und Ausland richte.
  • Dieser gesteigerten Gewinnerwartung der Bewegung stehe die Angst vor dem Ableben Fethullah Gülen´s gegenüber, dessen Gesundheit schwer angeschlagen sei und ohne den die Organisation auseinanderzufallen drohe. Gleichzeitig sei die Expansion des Netzwerks im Ausland ins Stocken geraten. In den Ländern Zentralasiens werde der anfangs große Spielraum, den einige Regierungen der Bewegung gewährten, beschnitten und im Nahen Osten sehe sich die Gülen-Gemeinde einer zunehmenden Radikalisierung ihres religiösen Umfelds gegenüber, was die Verbreitung ihrer Version eines gemäßigten Islam erschwere.
  • Die Bewegung habe in der Sicherheitsbürokratie der Türkei bereits vor dem Ausbruch des offenen Konflikts mit der Regierung einen Rückschlag hinnehmen müssen. Im März 2011 übertrug die Regierung dem Nationalen Geheimdienst (MİT) die größte Abhöranlage der Türkei (GES), die bis dahin dem Büro des Generalstabs unterstellt gewesen war. Die Schwächung des Militärs ging also nicht mit einer Stärkung der Polizei einher, in der die Anhänger Gülen´s besonders gut organisiert seien, sondern kam dem Geheimdienst zugute, der unter der Kontrolle Erdoğan´s stehen.

Indoktrination der Anhänger

Die Bewegung verweist darauf, dass Missionierung oder auch nur der Religionsunterricht in den offiziellen Institutionen der Bewegung keine Rolle spielt. Zeitgleich macht Sie jedoch keinen Hehl daraus, dass ihre zivilgesellschaftlichen Aktivitäten aus einem streng nach Prediger Gülen´s theologischem Weltbild ausgerichteten Antrieb heraus erfolgen. Experten betonen, dass es kein Geheimnis sei, dass die große Zahl der in Schulen und Vereinen arbeitenden Ehrenamtlichen, aber auch der Lehrer, die der Bewegung angehörten, ihr pädagogisches Engagement als „gottgefälliges“ Handeln per se verstünden. Gleichzeitig lasse sich feststellen, dass die Aktivisten von einem starken Gefühl der Zugehörigkeit zur Bewegung und der Loyalität mit ihr erfüllt seien. Darüber hinaus sei ein gemeinsamer Habitus der Gefolgsleute Gülen´s nicht zu übersehen.

Der Alltag soll durch die Lektüre von Schriften Gülen´s gekennzeichnet sein, berichten Aussteiger. Es finde eine soziale Konditionierung statt, die das Verhalten der Aktivisten präge. Diese manifestiere sich in Gestalt von Gruppendiskussionen und dem Gebot der Verantwortung für das Handeln des jeweils anderen WG-Mitglieds. All dies führe zu einer Verstetigung von intellektuellen, emotionalen und handlungsleitenden Dispositionen, die den genannten Habitus hervorbrächten, so die Experten. Sie bewerten die Wohngemeinschaften als den dynamischen Kern Gülen´s Gemeinde.

Deren ganze Energie solle auf weiteres Wachstum der Bewegung gerichtet sein und – als Fernziel – auf die Versittlichung der Gesellschaft, was in Gülen´s Denken im Hinblick auf die muslimischen Länder mit einer zivilgesellschaftlichen Re-Islamisierung zusammenfällt. Um den Einzelnen zum „Soldaten des Lichts“ zu machen, der all sein Streben auf diese Aufgabe richtet, gelte es, die „leeren Köpfe“ einer „nach inhaltlosen Schablonen lebenden Generation“ mit den Wahrheiten eines strikt nach Gülen´s Auslegungen ausgerichteten Glaubens zu füllen.“

Die Anhänger der Bewegung sind davon überzeugt, dass sie einen offenbarten göttlichen Auftrag erfüllen und beziehen sich dabei auf Traumbotschaften von Gülen, in der angeblich Gottes Vetreterschaft auf Erden nur dieser Gemeinde zugesprochen wird. Nach Deutung dieser Traumbotschaften gelte Gülen für seine Anhänger als der erwartete Erneuerer des Glaubens und vielen sei sein Wissen und seine Predigten Ausdruck göttlicher Inspiration.

Kern der Bedrohung

Zunächst müssen zwei Aspekte kritisch betont werden. Zum einen der Personenkult um Fethullah Gülen und zum anderen der Glaube an seine Unfehlbarkeit. Diese beiden Tatsachen, die keinerlei Grundlage in der Religion des Islam selbst finden, stellen die größten Faktoren dar, die an der religiösen Integrität des Netzwerks zweifeln lässt. Der Islam verbietet strikt einen Menschen anzubeten und Unfehlbarkeit gebührt einzig Gott.

Im Dezember 2012 startete die Anhänger des Web-Kollektivs Anonymous eine Kampagne gegen die Gülen-Bewegung, wo sie auf die systematische Verhaftung von Gülen-kritischen Journalisten in der Türkei verwiesen und anmerkten, dass jegliche Kritik an der Bewegung oder an der Person Gülen sofort durch Einschüchterung, Erpressung oder Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zum Schweigen gebracht werde. Auch die Internetzensur sei eine Idee Gülen´s. In diesem Aufruf verweist Anonymous darauf, dass der türkische Sicherheitsapparat und die Justiz von Anhängern Gülen´s infiltriert sei und die ihre geballte Macht nutzten, um freien Journalismus und Meinungsäußerung zu unterbinden.

Ähnlich wie in Deutschland, müssen Beamte in der Türkei einen Amtseid leisten. Dieser bezieht sich auf den uneingeschränkten Einsatz für die Prinzipien der – und die absolute Loyalität zur Republik. Der Islam verbietet die Lüge und die Intrige als Mittel zur Machterlangung. Auch der Verrat am Staat, steht man in dessen Dienst, gilt als Sünde. Dies wird eindeutig in den Worten Hz. Ali´s (r.a.) zum Ausdruck gebracht, denn er sagt: „Verzeiht alles, wenn jedoch jemand sein Vaterland verraten sollte, so verzeiht diesen Verrat niemals!“ Wenn wir uns nun bewusst machen, dass die Anhänger Gülen´s vorwiegend fromme, anständige und gläubige Menschen sind, dann stellt sich die Frage, wie sie dennoch gegen diese eindeutigen islamischen Gebote verstoßen können?

Die Moral

Allgemein betrachtet ist die Moral das faktische Handeln von Menschen. Genauer, welches Handeln in bestimmten Situationen erwartet wird beziehungsweise für richtig gehalten wird. Diesen deskriptiven Bedeutungsaspekt einer Moral bezeichnet der katholische Theologe Dietmar Mieth auch als Sittlichkeit oder Ethos. Sie umfasse „regulierende Urteile und geregelte Verhaltensweisen“, ohne dass die rationale oder moraltheoretische Rechtfertigung derselben beurteilt oder bewertet werde.

In seinem Aufsatz, mit dem Titel: “Ist das Gewissen wirklich die letzte Instanz?” schreibt der Philosoph Dr. Hans-Joachim Niemann: „Die spezifische Aufgabe der Moral ist es, dort zu wirken, wo uns niemand kontrollieren kann, wo unser Egoismus und unser Selbstinteresse freie Hand haben, sich auf Kosten anderer zu bedienen. In seiner Durchsetzungsfunktion enthält das Gewissen kein Wissen, ist kein ›Ge-Wissen‹ und ist nicht das Prinzip, nach dem wir handeln sollen, sondern es ist die Kraft, die uns zum Nachdenken zwingt und die dann dafür sorgt, dass wir das durch Überlegung Gefundene in eine Handlung umsetzen.“

Es ist Gülen selbst, der sich mit diversen Aussagen als „Auserwählter“ darstellt, wenn er beispielsweise verlauten lässt, dass der Prophet Mohammed (sav.) ihm im Schlaf erschienen sei und ihm aufgetragen habe seinen Anhängern mitzuteilen, dass sie nun doppelt so viele Tweets auf Twitter gegen die Regierung versenden sollen. Es existiert ein striktes Verbot von Kritik an dem Prediger.

Die mutmaßliche Gehirnwäsche in den Lichthäusern, von der alle Aussteiger berichten, kombiniert mit der Bewunderung, ja teilweise sogar der Anbetung Gülen´s, die über Jahre hinweg systematisch in den Institutionen des Netzwerks indoktriniert wird, führt zu einer Manipulation des persönlichen Wertesystems des Gläubigen, hin zu einer unkritischen Hörigkeit gegenüber den Geboten des Netzwerks im Glauben an die Heiligkeit und die Unfehlbarkeit Fethullah Gülen´s.

Deus lo vult!

Die Anhänger sind davon überzeugt einer heilige Sache zu dienen. Sie betrachten Gülen als einen gottgesandten Propheten und folgen ihm und seinen Anweisungen blind. Ähnlich wie viele Christen einst Papst Urban II. folgten und daran glaubten, durch Teilnahme an den Kreuzzügen Sündenablass zu erlangen und im „Auftrag des Herrn“ zu handeln, befolgen heute die Anhänger Gülen´s seine Befehle ohne die Richtigkeit zu hinterfragen. Das begründet das nichtislamische Verhalten und den Verrat am Amtseid, denn die Anhänger Gülen´s sind beim ausführen all seiner Befehle davon überzeugt: Deus lo vult!

Diese Tatsache macht Gülen und seine Anhänger zu einer gefährlichen Sekte, die der türkische Ministerpräsident sehr zutreffend mit der historischen Persönlichkeit Hasan-i Sabbah vergleicht. Dem legendären Anführer einer ismailitischen Religionsgemeinschaft, die heute unter dem Namen „Assassinen“ weltweit bekannt ist.

 

Die dunkle Seite der Gülen-Bewegung

Es ist eine Schande für ein Land wie Deutschland, dass der Bildungserfolg derart stark von der Herkunft des Kindes abhängt und die sozial Schwachen systematisch von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Folgen wir der einfachen Logik, dass die Bildung bestimmt, welchen Status und welche Position das Individuum in der Gesellschaft einnehmen wird, dann muss festgestellt werden, dass die sozial Schwachen im „System: Deutschland“ lediglich zu Transferleistungsempfängern „erzogen“ werden

Von Mustafa Esmer (Erstpublikation am 16. Februar 2014 auf DTZ-News)

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Noch vor einem Monat hätte ich niemals gedacht, dass ich mal einen Beitrag verfassen werde, der sich kritisch mit Fethullah Gülen und seinem weltweiten Netzwerk beschäftigt. Ich kenne und schätze auch heute noch sehr viele Mitglieder der Bewegung und gerade in Deutschland, wo die türkische und die türkischstämmige Jugend zu den systematischen Verlierern des deutschen Bildungssystems gehören, empfinde ich die Arbeit der Hizmet als bedeutend. Die Erfolge der Schüler/ -innen, die in den Schulen der Bewegung unterrichtet werden, sind gerade in den Naturwissenschaften nicht von der Hand zu weisen. Ich betrachte ihre Existenz als Bereicherung und sehe in diesen Einrichtungen die dringend notwendige zivilgesellschaftliche Antwort auf die in Deutschland existierende Chancenungleichheit. Es ist eine Schande für ein Land wie Deutschland, dass der Bildungserfolg derart stark von der Herkunft des Kindes abhängt und die sozial Schwachen systematisch von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Folgen wir der einfachen Logik, dass die Bildung bestimmt, welchen Status und welche Position das Individuum in der Gesellschaft einnehmen wird, dann muss festgestellt werden, dass die sozial Schwachen im „System: Deutschland“ lediglich zu Transferleistungsempfängern „erzogen“ werden.

Integration in Deutschland

Wolfgang Bosbach (CDU) beschrieb das existierende System in unserem Land mit den Worten: „Die Integration in die Gesellschaft erfolgt über den Arbeitsmarkt!“ Statt die Frage zu beantworten, wie sich gerade sozial Schwache durch ein marodes Bildungssystem, wo sie gar nicht die Chance auf eine Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt erlangen, integrieren sollen, zog er es bedauerlicherweise vor, diese Menschengruppe zu diffamieren und die politische Verantwortung durch das Unterstellen eines kollektiven Unwillens zu leugnen. In einer solchen Atmosphäre sind die Betroffenen dankbar, dass es Angebote wie die Gülen-Schulen gibt, um ihren Kindern den Zugang zu einem höheren Bildungsweg zu ermöglichen.

Es ist wichtig die Alltagsrealität der sozial Benachteiligten zu kennen, um die folgenden Ausführungen nachvollziehen zu können. Man stelle sich nun vor, dass wir nicht über Deutschland sprechen, sondern über die Türkei und man übertrage die systematische Benachteiligung der sozial Schwachen auf die Menschen in der türkischen Republik, jedoch ohne die hier existierenden Transferleistungen wie Hartz IV. Das katastrophale türkische Bildungssystem produzierte einen Bedarf an Nachhilfeschulen, ohne deren Besuch das Bestehen der zentralen Zulassungsprüfungen für die Universität geradezu unmöglich war. Speziell für jene Menschen, die von den damaligen türkischen Eliten verächtlich als „schwarze Türken“ bezeichnet wurden. Mit äußerst kulanten Finanzierungsmöglichkeiten und Nachsichtigkeit bei finanziellen Engpässen, jedoch auch dem sichtbaren und messbaren Erfolg, wurden Gülen-Schulen zu hoch frequentierten Anlaufstellen für die Bevölkerung Anatoliens. Nun muss man wissen, dass die Türken, anders als die Deutschen beispielsweise, zumeist religiöse Menschen sind. Somit war die Kombination von Religion und Bildung sehr attraktiv für viele. Die Schüler/ -innen dieser Schulen und auch ihre Eltern waren dankbar für die Existenz derselben. Das System setzte sich durch. Heute betreibt die Bewegung 25 Prozent aller Nachhilfezentren und Studentenwohnheime in der Türkei. Auch als religiöse Autorität war und ist Gülen anerkannt -ich sehe mich nicht dazu berufen seine Religiosität zu hinterfragen- deshalb vertraute man ihm.

Die Gülen-Bewegung

Auf der einen Seite gibt es die Basis der frommen Menschen mit wunderbaren Gedanken und voller Hilfsbereitschaft. Eine Religionsgemeinschaft um Gülen, die seinen Lehren folgt. Auf der anderen Seite jedoch existiert ein mutmaßliches Gülen-Netzwerk. Dieses Netzwerk schaffte es, die Republik weit mehr zu erschüttern, als die Proteste im Gezi-Park und weit mehr als die seit Jahren praktizierte Selbstdemontage der Oppositionsparteien. Begleitet werden die Aktionen des Netzwerks von ihrem mächtigen Medienapparat, das über verschiedene überregionale TV-Sender und Zeitungen verfügt. Die der Bewegung zugerechnete Zeitung “Zaman” beispielsweise beherrscht die türkische Medienlandschaft unangefochten als die auflagenstärkste Tageszeitung. Das alleine hätte jedoch nicht gereicht, um einen derartigen Schaden herbeiführen zu können. Die gleichen Mittel haben die anderen Oppositionellen auch. Man muss genauer hinschauen.

Im Interview mit Der KURIER beschreibt Hakan Yavuz, der an der University of Utah in Salt Lake City lehrt und dasStandardwerk zur Gülen-Bewegung verfasst hat, das Netzwerk wie folgt: „Es handelt sich um eine streng hierarchische, straff geführte Organisation mit Fetullah Gülen an der Spitze, den 20 bis 30 Top-Leute umgeben. Dann kommen weltweit 3000 bis 5000 Regionalverantwortliche. Insgesamt gibt es ein bis zwei Millionen Aktivisten und ein Vielfaches an Sympathisanten“. Er unterstellt: „„Es soll eine islamische Elite herangezüchtet werden, die dann in verantwortungsvollen Positionen ihren Einfluss geltend macht […] In der Türkei haben „Gülen-Jünger“ alle wichtigen Sektoren bis ganz nach oben infiltriert – vom Bildungs- und Gesundheitswesen über Banken, die Energie- und Baubranche bis hin zum Tourismus und den Medien. Und damit die Kriegskasse gut gefüllt ist, müssen Manager zehn bis zwanzig Prozent ihres Lohnes an die Bewegung abführen“ Yavuz vergleicht die Hizmet-Bewegung, aufgrund ihrer Intransparenz mit dem rechtskatholischen Geheimbund „Opus Dei“.

Zu den aktuellen Ereignissen in der Türkei bemerkt der Experte im zitierten Interview: „Doch warum sah die Gülen-Bewegung, der ein Nahverhältnis zur US-Regierung nachgesagt wird, gerade jetzt die Stunde gekommen, in die Offensive zu gehen? Die Erklärung einiger Beobachter: Washington sei wegen der Iran- und Ägypten-Politik Ankaras (Unterlaufen der Sanktionen sowie Unterstützung der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft) derart verärgert, dass es Erdogan fallen gelassen habe. Das habe Gülen animiert, die direkte Konfrontation mit dem türkischen Premier zu wagen.“

Gülen ist einer der einflussreichsten Drahtzieher der Türkei. Seit 1999 lebt der 72-Jährige im selbstgewählten amerikanischen Exil. Man wirft ihm vor, einen „Staat im Staat“ zu kontrollieren und eigene politische oder wirtschaftliche Interessen durch seine Anhänger zu schützen oder umzusetzen. Er behauptet von sich, dass er “nur ein bescheidender Privatmann” sei und sein Einfluss lediglich darauf beschränkt, dass viele Menschen sich auf seine Lehren berufen, die von Liebe, Dienen, Rechtsstaat und Demokratie kündeten. Er leiste lediglich seinen Beitrag, in dem er oftmals den Titel als Ehrenvorsitzender für verschiedene Vereine und Schulen annehme, um diesen damit zu helfen. Sonst habe er keinerlei Verbindung zu diesen Schulen.

Eine Gefahr für Deutschland?

Spätestens seit dem Artikel im Der SPIEGEL und der Reportage im ARD-Politikmagazin “Report Mainz” über Gehirnwäsche, Mobbing und Gewalt an Bildungseinrichtungen, die dem Gülen-Netzwerk zugerechnet werden, ist auch die deutsche Öffentlichkeit mit dem Prediger konfrontiert. So warnt der Verfassungsschutz Baden-Württemberg in einem internen Papier, Gülens Gedankengut stehe in mancherlei Hinsicht im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung”. So haben sich jüngst der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour (Die Grünen) und Joachim Valentin, Direktor des Hauses am Dom und Islambeauftragter des Bistums Limburg vom „Forum für interkulturellen Dialog“ distanziert, da dieses Forum zur umstrittenen Gülen-Bewegung gehört. Nouripour hat seine Arbeit im Beirat des Vereins niedergelegt, Valentin lässt sie derzeit ruhen.

Da ich viele der islamophoben Kritiker und ihre leeren Worthülsen über die Bewegung kenne, möchte ich zumindest ihrer Argumentation widersprechen. Folgt man den Schilderungen der üblichen Verdächtigen, dann bekommt der gemeine Biodeutsche vielleicht seinen Seelenfrieden durch Bestätigung der eigenen Vorurteile, jedoch keine ernstzunehmende Beschreibung der Realität. Ich kenne sehr viele ehemalige Schüler/ -innen dieser Schulen die in keiner Weise indoktriniert wurden, sondern lediglich Nachhilfeunterricht bekommen haben. Es werden auch freiwillige Veranstaltungen angeboten, die zum „Sohbet“ (deutsch: Gespräch) einladen und niemand gezwungen ist daran teilzunehmen. Das dort religiöse Inhalte vermittelt werden ist klar und wird erwartet. Indoktrination vorzuwerfen ist so, als würde man dem Priester einen solchen Vorwurf machen, weil er im Gemeindehaus von der Bibel erzählt oder dem Pfarrer wegen der vermittelten Inhalte beim Konfirmationsunterricht. Wenn man jedoch an diesen Sohbet teilnimmt und über die schulischen Angebote hinaus, an den religiösen Angeboten teilnimmt, dann ist das noch lange kein Verbrechen. Ich habe selber an solchen Gesprächsrunden teilgenommen. Vermittlung von Bildung produziert keine Terroristen!

Das Dankbarkeit-System

Weitaus problematischer ist der Aspekt, der die sozial Benachteiligten in der Türkei wie auch in Deutschland verbindet: Die Dankbarkeit! So funktioniert das System-Gülen. Zunächst sei festgestellt, dass weder die Gülen Gymnasien in Deutschland, noch die Nachhilfezentren kostenlos sind. Die Eltern müssen hart arbeiten oder über ausreichendes Einkommen verfügen, um ihre Kinder auf diese Schulen schicken zu können. Ohne die gegebenen Finanzierungsmöglichkeiten in diesen Schulen, wäre es vielen nicht möglich, ein solches Angebot zu nutzen. Hieraus ergibt sich die Dankbarkeit der Eltern und der Schüler-Innen. Auf einer deutschen Institution wären solche Möglichkeiten nicht gegeben. Man arbeitet zwar stark gewinnorientiert und auf Wirtschaftlichkeit bedacht, es muss jedoch auch benannt werden, dass man gerade als Nachhilfelehrer fair entlohnt wird mit einem sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeitsvertrag. Das Angebot schließt nicht nur eine Lücke, sondern unterstützt, durch die multinationale Zusammensetzung der Lehrerschaft, den interkulturellen Dialog, zumindest in Remscheid/NRW.

Wenn das staatliche System die Menschen strukturell und systematisch benachteiligt, dann sind diese Menschen sehr dankbar, wenn sie auf einem „Parallelweg“ dennoch sozial aufsteigen können und einer lebenslangen Beschäftigung in prekären Arbeitsverhältnissen entgehen. Selbst dann, wenn viele Eltern sich die Nachhilfe oder die Privatschulen “vom Munde absparen”. Diese Menschen versuchen lediglich dem Sumpf, in den sie der deutsche Staat reingeworfen, ihrem Schicksal überlassen und sie dann vergessen hat, zu entkommen. Wenn man auf diesem Weg dann eine Bildungskarriere macht und später aus “Dankbarkeit” Teile seines Einkommens an die Bewegung abgibt oder als Unternehmer günstig oder gar kostenlos Dienstleistungen und Produkte anbietet, ist das weder außergewöhnlich und noch weniger strafrechtlich relevant.

Schwierig wird es, wenn diese Bildungsaufsteiger verbeamtet werden und im Staatsdienst arbeiten. Es stellt sich die Loyalitätsfrage. Dienen diese Menschen dem Staat und der Verfassung, was ihre Aufgabe ist und nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde in Frage gestellt werden sollte oder folgen sie den Befehlen einer Person aus dem Ausland, der einzig die eigenen Interessen im Blick hat? Wie ein solcher moralischer Konflikt beantwortet wird, korreliert mit dem Grad der Dankbarkeit dieser Menschen für die Bewegung. Statt die bis dato, in organisierter Form, einzige türkischstämmige Lösung zur Überwindung der Zerstörung der Zukunft unserer Jugend zu dämonisieren, sollte man die Chance ergreifen und endlich Ressourcen verwenden, um die soziale Ungleichheit in der bundesdeutschen Bevölkerung zu überwinden. Nicht missverstehen! Meine Fürsprache für die Bildungsarbeit der Basis überträgt sich in keiner Weise auf das Netzwerk. Prediger sollten sich um die Religion kümmern und nicht nach politischer und wirtschaftlicher Macht streben. Der aktuelle Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der Hizmet-Bewegung ist dennoch eine Tragödie für uns in Deutschland Lebende. Die einzigen beiden gut organisierten konservativen Verbände haben Differenzen und führen einen medialen Krieg, der keinen Sieger haben wird. Einzig Verlierer: Uns!

 

Es rettet uns kein ferner Führer…

Ähnlich wie auch Merve Gül bereits in ihrem letzten Artikel beschrieben hat, sind wir als Community in Deutschland selber schuld an den Missständen, die uns täglich plagen!

VON Mustafa Esmer (Erstveröffentlichung am 05.01.2014 auf i-blogger)

Sind WIR wirklich so dumm, nicht zu erkennen, dass es den Mördern Mundlos und Böhnhardt ziemlich egal war, ob ihre Opfer nun zur Cemaat-Gemeinde oder zu Milli Görüş gehörten!? Das es den Mördern Mundlos und Böhnhardt ziemlich egal war, ob es sich bei ihren Opfern um Kemalisten handelt oder Neo-Osmanen … sie wurden kaltblütig ermordet, EINZIG weil sie Türken/Türkischstämmige waren oder für welche gehalten wurden …

Es hätte JEDEN VON UNS treffen können!

Unsere Benachteiligung und die fehlende Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem, wie auch auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, sind keine Verschwörungstheorien oder Gejammer, sondern empirisch belegbare Tatsachen.

Während andere nun versuchen, zu argumentieren, dass es unmöglich sei, eine Gemeinschaft zu bilden und man Wege zur Institutionalisierung von Konfliktlösungsmechanismen finden müsse, halte ich die Zementierung unserer Teilung für falsch.

Ja, es ist richtig, dass wir lernen müssen, miteinander zivilisiert zu streiten. Ja, es ist sicherlich für viele wichtig, den Kontakt in die Türkei zu halten und seine Wurzel stets aufs Neue zu befeuchten, damit diese nicht trocknet. Dennoch… Nein! Es ist falsch, an dem Ort, wo sich der Lebensmittelpunkt befindet, derart ignorant und geteilt zu agieren, dass wir am Ende als Community stets die Verlierer sind!

Hat sich mal jemand von den mit Herzblut für ihre jeweilige Gemeinschaft Kämpfenden mal gefragt, warum ihre eigene Zukunft, die Zukunft ihrer/unserer Kinder und der Menschen, die wir lieben oder einfach nur mögen, derart wertlos für euch zu sein scheint? So unbedeutend, dass die Befehle eines Predigers aus Pennsylvania, die Befehle verschiedener Führer aus Ankara oder aus Silivri wichtiger für Euch sind, als Euer eigen Fleisch und Blut?!

Wir marschieren auf – jedoch nur für Andere!

Habt ihr Euch mal bewusst gemacht, dass sich KEINER dieser „Führer“, von Perinçek über Kılıçdaroğlu, von Gülen bis Erdoğan, auch nur im Geringsten um Euch und Eure existenziellen Probleme in Deutschland kümmert? Ihr handelt wie Marionetten, die lediglich auf ihre jeweiligen Strippenzieher reagieren…

Ist Euch mal aufgefallen, dass WIR binnen weniger Tage medienwirksam Aktionen und Proteste organisieren können und Tausende spektakulär auf die Straßen stürmen lassen, jedoch NUR DANN, wenn eine solche Aktion aus dem Ausland befohlen wird (Hükümet-Istifa-Demos/Milli Iradeye Saygi usf.)!?

Geht es um uns, die in Deutschland existierenden Türken/-innen und Türkischstämmigen, finden wir unbegreiflicherweise keine 100 Türkischstämmige/Türken/-innen, die für ihre Rechte demonstrieren!? Wenn WIR ermordet (NSU-Skandal), belogen und betrogen (SPD-Doppelpass), beleidigt und erniedrigt (Sarrazin-Debatte), negativ etikettiert (Medien, Ex-Innenminister Friedrich etc.) oder benachteiligt (Stichworte: Chancengleichheit und soziale Ungerechtigkeit) werden, dann reagieren WIR… gar nicht!

Wir bestätigen uns lediglich gegenseitig, wie scheiße alles ist, schnaufen ein: „Watt willste machen?!“ … und erdulden das Unrecht weiter geneigten Hauptes! Während das „System Deutschland“ unsere Jugend verarscht und sie ihrer Zukunft beraubt, starren wir konzentriert in unsere türkischen TV-Sender, schauen türkische Soaps, lesen nur türkische Tageszeitungen und unterstützen mit unserem Desinteresse jene Gruppen in Deutschland, die GEGEN uns sind?!

Entsendung von Verbandsfunktionären ist kontraproduktiv!

Es beginnt doch bereits damit, dass so ziemlich jeder türkischstämmige Mensch alle Verschwörungstheorien der letzten 100 Jahre auswendig aufzählen kann, jeden türkischen Präsidenten mit den zugehörigen Daten benennen kann und die Dogmen Atatürks auswendig runterbetet, jedoch keine Ahnung hat, wer der Bürgermeister der Stadt ist, in welcher er/sie lebt?!

Ein weiteres Problem ist die Versendung von Menschen aus dem Ausland nach Deutschland – durch die Verbände. Das ist nicht nur absurd, sondern geradezu Sabotage! Wie sollen Menschen, die keine Ahnung von Deutschland haben, teils nicht einmal richtig Deutsch sprechen können, uns effizient vertreten?! Indem sie uns bei Talkshows meist unvorbereitet und in schlechtem Deutsch blamieren?!

Diese Personen führen unsere Verbände an und sobald die deutsche Politik pfeift, rennen sie sofort los, um dem Wunsch zu entsprechen und tolle Bilder für die Medien abzugeben. Selbstverständlich nutzt man diese Möglichkeiten für ein Handshake-Foto, etwa mit dem Bundespräsidenten. Dann kann man später mit diesem Bild angeben und sich wichtig fühlen!

Um uns zu vertreten und unsere Sorgen adäquat zu übermitteln, wäre es auch wichtig, unsere Sorgen zu kennen…!

Seit Ihr mal von den Verbänden/Vereinen/Gruppen, denen Ihr angehört, gefragt worden, was Euch plagt? Was Eure Sorgen sind und wo der Schuh drückt?! Wäre mir nicht bekannt! Die Kommunikation ist meist eine Einbahnstraße und findet nur in eine Richtung, von oben nach unten in hierarchisch organisierten Gemeinschaften statt – um es auf den Punkt zu bringen!

Manche Dinge gehen uns alle an – nur weil wir Türken sind!

Wir sind nicht nur so freundlich, uns in Deutschland nach vorne zu beugen, damit unsere Unterdrückung leichter vonstattengehen kann, wir sind sogar so übertrieben nett, dass wir die Vaseline aus der eigenen Tasche bezahlt und gekauft haben, damit es nicht so wehtut!

Wenn WIR nicht imstande sind, uns als Schicksalsgemeinschaft – vollkommen unabhängig von der eigenen Ideologie oder dem eigenen Glauben – zu begreifen und nicht imstande sind, zumindest temporär zusammenarbeiten zu können, um für UNSERE Rechte und UNSERE Zukunft einzustehen, dann sollten wir ehrlicherweise auch damit aufhören, ständig mit dem Finger auf die deutsche Politik zu zeigen, ohne zu bemerken, dass zeitgleich drei Finger auf UNS zeigen!

Wacht endlich auf!

WIR sind schuld an unserer Misere! 

WIR haben die Macht, unsere Zukunft aktiv zu gestalten!

WIR entscheiden, ob unsere Zukunft in Deutschland Besser wird oder Schlechter!

“Dik dur eğilme, Gurbetçiler seninle” – „Bleibe aufrecht, beuge dich nicht, die Auslandstürken sind mit dir“

Zehntausende Menschen schreien diesen Satz am Sonntag (07.07.2013) bei einer Demonstration in Düsseldorf lauthals heraus. Es war die bislang größte Kundgebung in Deutschland, die türkische Konservative versammelte. Unter dem Motto „Demokrasiye Saygi Mitingi“ – „Respekt vor der Demokratie“ demonstrierten sie für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und ihre Zustimmung für seine Haltung während der Gezi-Park Proteste

Bereits am frühen Nachmittag ist der Rheinpark proppenvoll. Zu Beginn der Demonstration zählt die Polizei 25000 Teilnehmer. Die am Rheinufer entlangführende Nord-Süd-Verbindungsstraße in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt (Cecilienallee) ist gesperrt. Unter strahlend blauen Himmel und ungetrübtem Sonnenschein, verwandelt sich der Rasen, vor der Bühne im Rheinpark, in ein rot-weißes Fahnenmeer. Viele Teilnehmer sind mit Bussen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem benachbarten Ausland nach Düsseldorf-Gonsheim gekommen und wollen ihren „Respekt vor der Demokratie“ bekunden. Die Menschen halten deutsch, englisch oder türkisch beschriftete Plakate hoch, auf denen beispielsweise steht: „We are Erdogan“ – „Wir sind Erdogan“ oder “Dik dur eğilme, Gurbetçiler seninle” – „Bleibe aufrecht, beuge dich nicht, die Auslandstürken sind mit dir“

„Wir stehen der türkischen Regierung nahe, sind aber nicht ihr Sprecher“

Die stellvertretende Vorsitzende der Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD) Filiz Isler, die zu der Demonstration aufrufen haben, sagt im Interview mit der sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“, dass die UETD der türkischen Regierung zwar nahe stehe, jedoch nicht ihr Sprecher sei. Man wolle gegen die einseitige Berichterstattung in den deutschen Medien Stellung beziehen. Anders als die deutsche Berichterstattung dargestellt habe, sei der Zuspruch für die Haltung der türkischen Regierung enorm und diesen wolle man demonstrieren.

„Dieses Ohnmachtsgefühl den Lügen seit Jahren hilflos ausgeliefert zu sein, macht mich so wütend“

Der junge Medizinstudent Savas Y. ist aus Bochum gekommen. Als Hintergrund für seine Teilnahme benennt er ein „Ohnmachtsgefühl den Lügen (der Politik und der Medien) seit Jahren hilflos ausgeliefert zu sein“. „[…] Dies mache ihn wütend. „Die Verwenden einfach unterschiedliche Worte, um das Gleiche zu kommentieren“. Sie würden gewaltbereite-linke Gruppen in Deutschland als Linksextreme beschreiben, in der Türkei als Wutbürger. Gruppen die man in Deutschland als Islamisten bezeichnete, seien durch ihre Teilnahme an den Gezi-Park-Protesten zu „muslimischen Gruppen“ transformiert und der demokratisch-legitimierte Ministerpräsident der die Unterstützung der Mehrheit der Nation hinter sich habe sei zum Diktator stilisiert worden. Mit solchen „Wortspielereien“ werde die öffentliche Meinung manipuliert.“

„Das musst du schreiben“

Besonders im Fokus der Kritik stehen neben den öffentlich-rechtlichen Sendern „ARD“, „ZDF“ und „WDR“ auch private Printmedien wie „Der Spiegel“ und „Bild“, denen vorgeworfen wird, sie würden Lügen verbreiten statt Nachrichten. Die ständige Reproduktion oppositioneller Propaganda, wenn es um die Türkei gehe, habe dazu geführt, dass Türkeistämmige ihr Vertrauen in die deutschen Leitmedien vollständig verloren hätten. „Schauen sie sich das an“ sagt die Abiturientin aus Köln, Ebru E. und verweist auf das einzige deutsche Fernsehteam bei der Kundgebung. „Wie selektiv die Aufnahmen machen. Die Mädels da vorne haben das Gleiche auf ihren Plakaten stehen wie die, die gerade aufgenommen werden. Mit dem Unterschied, dass die keine Kopftücher tragen. Ich beobachte das Team bereits seit 20 Minuten und die sprechen nur diejenigen an, die dem erwünschten Bild entsprechen, das man über uns malen wird. Das musst du schreiben.“

Die AKP-Anhänger waren nicht nur dort, um Fahnen zu schwenken und Erdogan-Poster in die Luft zu halten

Neben der Verehrung für Erdogan und der Zustimmung zu seiner Politik, übt man scharfe Kritik am Militärputsch in Ägypten. Die Versammelten feiern den inhaftierten Präsidenten Mohammed Mursi, betonen seine demokratische Legitimität und fordern seine sofortige Freilassung. Der UNO, der EU und den USA wirft man die fehlende Rückendeckung für die Demokratie in Ägypten vor und kritisiert die „zweigleisige“ Herangehensweise. Man könne nicht Kritik am Putsch üben und gleichzeitig den Putschisten eine weitere Zusammenarbeit zusagen, ohne Konsequenzen zu ziehen. Der Putsch sei ein illegaler Eingriff und eine Herabwürdigung des ägyptischen Volkes, das durch freie Wahlen seinen Willen zum Ausdruck gebracht habe.

„Du darfst das nicht als AKP-Veranstaltung sehen“

Erstaunlich ist, dass sich unter den Demonstrationsteilnehmern auch die Jugendgruppen anderer konservativer Parteien befinden, um ihre Solidarität mit der türkischen Regierung zu zeigen. „Du darfst das nicht als AKP-Veranstaltung sehen“, erklärt mir mein Begleiter Kerim D. aus Remscheid. „Sie sind gekommen, um ihre Solidarität mit dem türkischen Staat zu zeigen und ihren Respekt vor dem demokratischen Willen der türkischen Nation. Betrachtet man die Parteifahnen, die hier geschwenkt werden, sind auf diesem Platz gerade über 70% der türkischen Gesellschaft anwesend.“

Es ist eine Korrelation zwischen thematischen Schwerpunkt und Alter der Demonstranten erkennbar

Ältere Teilnehmer propagieren vorwiegend ihre Sympathie für Erdogan, ihre Kritik an der ausländischen Berichterstattung und speziell die Haltung der Bundesregierung, im Laufe der Gezi-Park-Proteste. Sie verweisen auf das Unrecht in Ägypten und auf die Unterdrückung der Muslime in vielen Ländern dieser Welt. Wie gewohnt wird, bei den Konservativen aus der Türkei, erneut kaum Kritik an der deutschen Innen- und Ausländerpolitik geübt. Ganz anders bei der Jugend. Auch sie zeigt ihre Sympathie für Erdogan und für die Haltung der türkischen Regierung, während der Ereignisse. Auch sie kritisiert die deutschen Medien und die Haltung der Bundesregierung. Während die Älteren ihre Kritik an Deutschland sehr allgemein formulieren, antworten die Jugendlichen weitaus differenzierter. Die deutsche Haltung ist für sie, mit Verweis auf den harten Polizeieinsatz während „Stuttgart21“, nicht nachvollziehbar. Ein Staat müsse doch wehrhaft sein und die öffentliche Ordnung gewähren. Auch ihre Medienkritik hat weit mehr Tiefe.

Sie belegen ihre Vermutung, in Deutschland nicht gewünscht zu sein, mit den Kommentaren der sogenannten Islamkritiker und speziell dem öffentlichen Umgang damit. Die Berichterstattung der deutschen Leitmedien, wenn die Türkei, die Türken oder die Türkeistämmigen thematisiert werden, empfinden sie als unfair, manipulierend und die existierenden Probleme verschärfend. Sie fühlen sich von den deutschen Medien provoziert. Die jungen Menschen bemerken, dass kaum deutsche Presse vor Ort ist und es „die“ doch sowieso nicht interessiert, was „die“ zu sagen haben. „Sonst wären die doch gekommen“ wirft die 15-jährige Serpil A. ein, die Gymnasiastin aus Essen. Es sei zur Unkultur geworden, dass die deutsche Presse lieber die Menschen befrage, die einem die gewünschten Antworten geben.

„Denen geht es doch nicht um die Wahrheit“

Mit diesen Worten fasst die Pädagogikstudentin Sibel B. zusammen. „Die anwesende Presse, sucht doch nur Bilder, um die eigene Meinung zu belegen und nicht, um zu erfahren, warum die Menschen gekommen sind. „Mit der Lüge schläft man besser in der Nacht“ fügt sie noch hinzu. Das gelte für die türkischen Medien, wie auch für die Deutschen. Bei näherer Betrachtung der Argumente und Gründe, die ursächlich für die Protestbeteiligung der Jugend ist, erkennt man schnell, dass sie sich als Stiefkinder der deutschen Gesellschaft fühlen. Sie haben das Gefühl einzig als Problem betrachtet zu werden und nicht willkommen zu sein. Es wächst eine gebildete, selbstbewusste und kritische deutsche Jugend mit türkischem Migrationshintergrund heran und die hat es verdient gehört zu werden! Bedauerlicherweise hat die deutsche Öffentlichkeit diese Chance nicht genutzt.

Die Jugendlichen haben es satt, negativ etikettiert am gesellschaftlichen Rand abgestellt zu werden, wo sie einzig als „Bogeyman“, für populistische Kampagnen der deutschen Politik benutzt werden“!

Kümmert euch um eure eigene Politik! Das Erdoğan-Bashing der deutschen Leitmedien nervt

Seit Wochen berichten hiesige Medien über die Demonstrationen am Taksim-Platz in Istanbul. Angeprangert wird vor allem der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan. Unter den Türkeistämmigen sind die Meinungen geteilt, Mustafa Esmer ist genervt.

 

VONMustafa Esmer (Erstveröffentlichung am 14.06.2013 auf Migazin)

 

Titel wie „Türkischer Frühling“ oder „Die Wut der Türken gegen das System Erdoğan“ zeugen nicht einzig von der Inkompetenz deutscher Redakteure, sondern von eindeutiger Einmischung in die türkische Innenpolitik, durch unhinterfragte Parteiergreifung. Seit Wochen erzeugen die deutschen Medien, durch undifferenzierte Berichterstattung, ein Zerrbild des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan. Er wird als Despot, als Diktator oder bei den ganz kreativen Redakteuren als Sultan beschrieben. Dass man damit lediglich die Zuschreibungen bestimmter oppositioneller Gruppen wiedergibt, scheint unwichtig.

Wer, außer den Volksvertretern, soll denn sonst die Macht innehaben?
Ich als Enddreißiger kenne die Türkei vor der AKP-Regierung. Daher stoßen Aussagen wie, dass es in der Türkei, unter der Erdoğan-Regierung, eine Einschränkung der Freiheitsrechte gibt, bei mir auf taube Ohren. Politik ist jedoch ein Prozess und diese Rechte müssen auch für die Zukunft bewahrt, sogar ausgebaut werden.

Zu allererst müsste den deutschen „Experten“ auffallen, dass die türkische Republik mit einer Junta-Verfassung vom 7. November 1982 regiert wird. Diese sprach dem türkischen Präsidenten immense Macht zu und die Arbeit der großen türkischen Nationalversammlung (TBMM) fand unter dem Damoklesschwert des Militärs statt. Die stets von der Opposition kritisierten Gesetzesänderungen der Regierung stärkten den TBMM und die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes. Dieses als Konzentrierung von Macht zu beschreiben ist bedauerlich!

Die Dominanz des Militärs wurde eingeschränkt und die Rechte des Individuums gestärkt. Weitere Beispiele für einen positiven Wandel sind die Abschaffung der Todesstrafe, die Aufhebung der Benachteiligung von Frauen im Erbrecht, die Aufhebung der Strafmilderung für „Ehrenmorde“ und der Strafbarkeit unehelicher Beziehungen. Außerdem wurden die Rechte, der in der Republik lebenden Minderheiten gestärkt. Ein sehr gutes Gesundheitssystem aufgebaut, das Bildungswesen modernisiert und die an das 20. Jahrhundert, zu Zeiten des Kalten Krieges, erinnernden Militärparaden, an nationalen Feiertagen, abgeschafft.

Gleiches Recht für alle!
2005 wurden in der Türkei Anti-Terror-Gesetze verabschiedet, die wesentlich die Handschrift des Militärs und der türkischen Opposition tragen. Diese Gesetze legitimieren heute die Anklagen der Staatsanwaltschaften und haben zu den ganzen Inhaftierungen der letzten Jahre geführt. Selbst Erdoğan hat die Justiz dafür mehrfach kritisiert. Schließlich war er selbst, oft genug, Opfer der türkischen Justiz. Das Problem in der Türkei ist, dass jeglicher Reformversuch der Regierung, beispielsweise der Justiz, an der Opposition scheitert. Mit populistischen Kampagnen werden Vorwürfe wie Landesverrat, Islamisierung und so fort erhoben und eine negative gesellschaftliche Spannung erzeugt.

Man kann sich gerne die Zusammensetzung der Kommission für die neue Verfassung anschauen. Obwohl die AKP mehr als 50 % der Sitze im TBMM, innehat, ist sie selbst, mit der gleichen Anzahl an Mitgliedern vertreten, wie alle anderen im TBMM vertretenen Parteien auch, selbst die BDP (Politischer Arm der PKK), die nur einige Direktmandate hat.

Die Oppositionsparteien könnten zur Abwechslung auch mal am Tisch sitzenbleiben und gemeinsam mit der Regierung diese notwendigen, sorry, dringend notwendigen Reformen durchführen!

Die Behauptung „Erdoğan lässt knüppeln“ suggeriert doch in sich schon, dass es in der Türkei ein Sultanat gibt, wo der Ministerpräsident alles bestimmt.
Der Oberbürgermeister Istanbuls Kadir Topbaş, Architekt, der dies sicherlich eher entscheidet, ist seit 2004 im Amt und er war vorher Berater von Erdoğan, als dieser selbst noch Oberbürgermeister Istanbuls war. Ruft der dann bei Erdoğan an und fragt, ob er die Umweltschützer niederknüppeln lassen soll? Hat Erdoğan nichts Wichtigeres, worum er sich kümmern muss? Hüseyin Avni Mutlu, der Gouverneur von Istanbul, Jurist, hat lange Jahre die gleiche Tätigkeit im Südosten der Türkei, in Siirt und Diyarbakir, ausgeübt. Er kennt sich also mit gewaltbereiten Protestierenden aus. Ob seine Vita einen Einfluss auf seine Entscheidung bezüglich der Härte des Polizeieinsatzes hatte, kann ich nicht beurteilen. Es sollte dennoch festgehalten werden, dass er, als Gouverneur, die politische Verantwortung für die Ereignisse am Taksim-Platz trägt.

Mich stört, dass die meisten Erdoğan-Gegner – viele studieren oder studierten Wirtschaft oder Sozialwissenschaften – bei der Betrachtung der türkischen Innenpolitik ihre Bildung vergessen aufgrund einer ideologischen Verblendung.
Fördert die Regierung den Handel mit dem „Westen“, dann verkauft sie das Land und sie sind Verräter. Wird der Handel mit den vorwiegend islamischen Nachbarstaaten gefördert, islamisieren sie das Land. Werden Entscheidungsfindungsprozesse de-olligarchisiert und dem TBMM mehr Macht gegeben, versucht Erdoğan Sultan zu werden. Man nehme zum Beispiel das Präsidialsystem, das von Erdoğan favorisiert wird?

Jetzt mal ganz ehrlich! Wie viele Erdoğan-Gegner, die dieses Argument benutzen, haben sich mal angeschaut, wie es gestaltet werden soll? Wie viele haben recherchiert und wissen, wogegen sie sind? Wie viele haben die inhaltliche Validität ihrer Anklage wirklich untersucht?

Es ist die Absurdität der Vorwürfe, die mich ärgert. Natürlich brauchen wir den Handel mit den islamischen oder türkischen Staaten, weil wir kein eigenes Öl oder Gas haben und der Verbrauch, mit steigendem Wohlstand, steigt. Natürlich müssen wir Handel mit dem Westen betreiben, wie auch mit allen anderen Regionen in der Welt. Natürlich ist die USA, gerade in unserer Region ein wichtiger Bündnispartner.

Globalisierung bedeutet in der Türkei das Gleiche wie hier in Deutschland, das sollte jedem bewusst sein.
Mir gefällt’s! Es findet keine Islamisierung statt, was sich im Straßenbild widerspiegelt. Die Menschen dürfen seit den letzten Jahren erst offen zeigen, dass sie Muslime sind, ohne verhöhnt zu werden. Weil sie das tun, fällt auf, das es mehr sind als vorher. Richtig! Aber kämpft man nicht für Freiheiten? Es wird viel von der Symbolik der baulichen Änderungen am Taksim-Platz gesprochen, die man als Indiz für eine Islamisierung und einer Abkehr von Atatürk deutet. Ich frage mich, ob auch nur ein deutscher Journalist das Projekt kennt, wenn Aussagen der Protestler publizistisch reproduziert werden? Dieses Projekt ist bereits 2011 verabschiedet worden und trägt nicht nur die Unterschrift der AKP, sondern auch die Unterschrift, der damals vom Projekt begeisterten und heute dagegen protestierenden Oppositionspartei CHP.

Anders als die Vielen vor ihm setzt Erdoğan um, was er verspricht.
Er mag größenwahnsinnig sein und seine Projekte unvorstellbar. Diese schaffen aber Arbeitsplätze und bedeuten Aufträge für die heimischen Handwerks- und Industriebetriebe. Alles in allem wird dadurch der Konsum … ähem, die Binnenwirtschaft angetrieben. Das Ganze wird von einer guten Geldwertstabilität-Politik begleitet und man erkennt schnell, dass die Verantwortlichen, in der Politik, nicht nur Wirtschaft studiert haben, sondern auch verstanden. Er setzt um, was er sagt. Man kennt seine Vorstellungen und das macht ihn berechenbar. Mehr verlange ich nicht von einem Politiker. Die Anderen scheitern bereits an diesem Anspruch.

Ja, Erdoğan ist direkt, forsch im Auftreten, nicht nett, wirkt autoritär, ist streng gläubig und praktizierender Muslim. Na und?
Er ist ein guter Politiker. Bei den ganzen Intrigen, Kampagnen und so fort muss man vielleicht so sein, um dieses Land regieren zu können. Haben jene, die sich über seinen Ton ärgern, mal ihren Eigenen gehört? Alleine im letzten Jahr? Selbst seine kürzlich verstorbene Mutter ist seinen Kritikern nicht heilig. Die Protestierenden beschreiben sich als die Soldaten Atatürks?! War Atatürk nett? Die Kemalisten, gruppiert in der CHP, erzählen was von der notwendigen Reformation des Islam und sind nicht imstande, ihre 1930 konservierte Ideologie abzulegen. Ist dieses alte, elitäre System wirklich die Alternative zum Jetzigen? Welche Alternativen sind sonst noch geboten. Die BDP bietet den marxistischen Stalinismus an, die MHP den Nationalismus und die Kemalisten den existierenden Etatismus.

Lässt sich mit einer der Alternativen die moderne Türkei dauerhaft regieren? Nein! Mit einer konservativen und wirtschaftsliberalen AKP auch nicht!
Ich möchte betonen, dass ich der aktuellen Regierung wirklich dankbar für den bis dato vollzogenen gesellschaftlichen und systemischen Wandel bin. In der Türkei wird jedoch eine knallharte, wirtschaftsliberale Politik betrieben. Was vielleicht zum Aufbau und zur Bildung einer stabilen, ökonomischen Grundlage notwendig war, kann auf Dauer nicht akzeptiert werden. Ich finde und fand die ganzen sozialen Aktionen der AKP-Gemeinden, wo den ärmeren Bürgern Essenskörbe und Kohle für den Winter gegeben wurde/wird, gut. Ziel sollte jedoch sein, dass jeder Haushalt ausreichend mit finanziellen Ressourcen versorgt wird, damit dies nicht notwendig ist. Genauso leidenschaftlich wie ich das Recht auf Glauben verteidige, verteidige ich auch das Recht auf Ungläubigkeit. Eine systematische Umkehr der früheren Diskriminierung der Muslime ist nicht akzeptabel. Ich betrachte die Gentrifizierung, konkret in Istanbul, kritisch, und wenn man ins Detail geht, kann man viele Punkte ausführen, wo ich die AKP-Sicht nicht teile. Zu konservativ, zu wirtschaftsliberal, selbstverständlich! Rechtfertigt das die heftigen Proteste? Nein!

Zu den deutschen Medien
Ich frage mich seit Tagen, warum die deutschen Leitmedien, ähnlich den türkischen Linksextremen und Kemalisten, die Proteste derart personalisieren. Die Frage, warum man dem Fehlverhalten der Polizei bei „Frankfurt-Occupy“ nicht angemessen Raum gibt und stattdessen lieber dem Fehlverhalten der Polizei in der Türkei, bleibt unbeantwortet. Statt Innenpolitik berichtet man lieber Mutmaßungen aus der Türkei, im Konjunktiv.

Erstens: AKP ist nicht Erdoğan. Er ist nur der Charismatischste. Der Führungskader reguliert sich ganz gut untereinander und besteht aus intelligenten Menschen, wie Abdullah Gül, Bülent Arınç, Ahmet Davutoğlu, Cemil Çiçek et Al.

Zweitens: Am 27. Oktober 2013 finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Man wird an der Wahlurne sehen, wie die Mehrheit des türkischen Wahlvolkes über Erdoğan denkt. 2015, falls das Präsidialsystem noch nicht eingeführt wurde, wird Erdoğan, aufgrund der AKP-Parteisatzung, nicht erneut antreten und wahrscheinlich das Amt des Präsidenten, der türkischen Republik, übernehmen. Das Amt wird zum ersten Mal per Direktwahl besetzt und auch da hat die türkische Bevölkerung die Möglichkeit ihren Willen zum Ausdruck zu bringen.

Das ist mehr echte Beteiligung, als die türkische Nation je hatte!

Ich bin Türke! Wo ist das Problem?

Warum dürfen wir Türken in Deutschland nicht nach unserer Façon selig werden? Warum muss ich mich denn in dieser Gesellschaft als Deutscher beschreiben, um nicht in den Verdacht zu kommen, ein „Integrationsverweigerer“ zu sein oder ein Problem?

 

VONMustafa Esmer (Erstveröffentlichung: 19.04.2013 auf Migazin)

 

Ich wurde 1976 in Remscheid als Kind türkischer Eltern geboren. Keine Angst, ich habe nicht vor, eine Sammlung meiner Diskriminierungserfahrungen zu verfassen. Relevant ist nur das Faktum meiner Herkunft zur Wahrnehmung, dass ich mit der Politik eines Helmut Schmidt und viel prägender, mit der Politik von Helmut Kohl aufgewachsen bin, die in beiden Fällen, signifikant-türkenfeindlich war. Interessierte können gerne in den Archiven einschlägig bekannter Polit-Magazine oder Tageszeitungen die Jahre 1980-1995 recherchieren. Sie werden die Politik dieser Zeit nicht anders beschreiben können als ich, falls Sie nicht Ignorant oder Politiker sind.

Ich bin kein Deutscher
Ja, ich bin hier geboren. Ja, ich bin ein Remscheider, Ja, ich bezeichne das Bergische Land als meine Heimat und nein, ich bin kein Deutscher! Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer sagte mal: „Ein eigentümlicher Fehler der Deutschen ist, dass sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.“ Man muss keine Kaffeesatzleserei betreiben, um zu verstehen, warum ich das sage. Ich bin das Produkt deutscher Innenpolitik, das aus einem Kind, in Deutschland geboren, einen Türken gemacht hat. Ich habe diese, aufgrund meiner Herkunft, zugeschriebene Identität lediglich angenommen und die gefällt mir. Die Entscheidung meinen türkischen Pass zu behalten und mich als Türke in Deutschland zu bezeichnen habe ich bewusst getroffen, vielleicht auch unter dem Einfluss der ständig wiederkehrenden Hetzkampagnen. Unabhängig von dieser Frage, bereue ich meine Entscheidung nicht.

Gratulation, liebe Rückführungspolitik!
Ich verlasse meine Heimat zwar nicht, aber bleibe, dank der jahrzehntelang betriebenen Politik, offiziell betrachtet ein „Fremdkörper“ in dieser Republik. Dies ist keine Beschwerde, nicht missverstehen! Die deutsche Ausländerpolitik produzierte einen in Deutschland geborenen und lebenden Türken. Sie werden von mir keine Klagelieder hören, über fehlende Akzeptanz und Anerkennung vonseiten der Mehrheitsgesellschaft. Dieses Thema betrifft die vielen türkeistämmigen Neudeutschen, die offiziell, ausgrenzend und diffamierend, in der Öffentlichkeit zu „Deutsche[n] mit Migrationshintergrund“ degradiert werden. Ich hatte persönlich nie den Drang, als gleichberechtigtes Mitglied dieser Gesellschaft anerkannt zu werden, dennoch sichert mir das Grundgesetz meine Gleichwertigkeit zu und das Recht, als Türke in Deutschland leben zu können. Die medial inszenierten Hetzkampagnen, die ständige politische Legitimation der Diffamierung durch Wiederholung und Desinformation oder das Infragestellen meiner Integrität, stellen nicht nur einen Eingriff in meine Persönlichkeitsrechte dar, sie zementieren auch Vorurteile in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft. Des Weiteren widersprechen sie dem Fundament unserer Grundordnung, dem Gedanken der Gleichwertigkeit aller Menschen.

Ich bin bereits integriert!
Ich bin hier aufgewachsen, habe mein Abitur gemacht, den akademischen Grad des Diplom- Sozialwissenschaftlers erlangt und mein gesamtes Leben, in Interaktion mit meiner Umwelt verbracht. Ich kann Deutsch, ich finde das Grundgesetz gut und bin ein rechtschaffener Türke in Deutschland, der seine Steuern zahlt und schon immer seine GEZ-Gebühren bezahlt hat. Warum versucht man mich dennoch mit Gesetzen zu verwalten, die davon ausgehen, dass ich eine Gefahr für dieses Land bin? Es ist traurig, denn das deutsche Ausländerrecht ist bis heute vorwiegend „die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“. Dieser Geist begegnet einem immer dann, wenn man mit öffentlichen Akteuren zusammentrifft, Verwaltungsakte erledigen muss oder Kommentare von Politikern, zu ausländerspezifischen Themen, zur Kenntnis nimmt.

„Jeder soll nach seiner Façon selig werden“
… sagte einst Friedrich II, König von Preußen. Warum dürfen wir Türken in Deutschland nicht, im Rahmen des Grundgesetzes, „nach [unserer] Façon selig werden“? Warum muss ich mich denn in dieser Gesellschaft als Deutscher beschreiben und „Deutscher als die Deutschen“ erscheinen, um nicht in den Verdacht zu kommen, ein „Integrationsverweigerer“ zu sein oder ein Problem? Bin ich wirklich undankbar gegenüber Deutschland oder gar Illoyal, wenn ich darauf hinweise, dass meine vom Grundgesetz garantierten Rechte von der Politik mit Füßen getreten werden? Ist Deutschland denn nicht ein Rechtsstaat?

Wenn ich mich für das kommunale Wahlrecht für Drittstaatenangehörige einsetze, muss man es nicht als Geheimplan zur Türkisierung bzw. Islamisierung Deutschlands wahrnehmen. Man darf ruhig unterstellen, dass mir auch ein friedliches Zusammenleben in Deutschland wichtig ist, obwohl ich nicht die „richtigen“ Ausweispapiere in meiner Tasche habe. Meine Freunde, meine Familie, viele Menschen, die ich schätze oder einfach nur gut leiden kann, leben hier. Warum sollte ich diesen Menschen, die vielen unterschiedlichen Ethnien, Religionen, Konfessionen und Nationalitäten angehören, schaden wollen? Warum spricht man mir die menschlichsten Verhaltensmuster ab?

Was ist eigentlich die Mehrzahl von Deutschland?
Bei der Niederschrift meiner Gedanken habe ich mir irgendwann die Frage gestellt: „Was ist eigentlich die Mehrzahl von „Deutschland“? Wenn ich Deutschland kritisiere, ist damit vorwiegend das öffentliche Deutschland gemeint. Die Politik, die seit Jahren medial- aufrechterhaltene-öffentliche Spannung, die dadurch erzeugte negative Stimmung und keinerlei ernstzunehmende Forderung der Bevölkerung, gesellschaftliche Konflikte lösen zu wollen.

Andererseits gibt es auch sehr viele schöne Deutschland-Bilder in meinem Kopf. Erinnerungen, Ereignisse, Menschen, einfach Bilder eines Lebens. Ich fühle mich grundsätzlich wohl in Deutschland, solange ich mich in meinem personalisierten Lebensraum bewege. Bei der Arbeit, unterwegs mit Freunden, Nachbarn, Kollegen, überall fühle ich mich nicht als Türke, sondern als ich. Gutes Deutschland. Sobald ich jedoch das öffentliche Deutschland betrete, ist es meist vorbei mit wohlfühlen und man stellt sich oft die Frage, warum man dieses Land nicht einfach verlässt. Da Deutschland offiziell durch die Politik repräsentiert wird, kann ich nicht sagen, dass mir Deutschland gefällt und man als Türke hier würdevoll, in einem freiheitlich-demokratisch organisierten Gemeinwesen, leben kann. Da hauptsächlich der öffentliche Raum, ein konfliktfreies Zusammenleben zu erschweren scheint, wäre es dann nicht einfach durch einen politischen Willen lösbar? Nein, dieses Deutschland mag ich nicht. Aber die vielen anderen … womit wir bei meiner Frage sind. Was ist eigentlich die Mehrzahl von Deutschland? Deutschlands?

Interview mit Mustafa Esmer – Kein Fußbreit dem Faschismus?

Am 15.12.2011 hätten sich etwa 100 Teilnehmer vor dem Polizeipräsidium eingefunden und auch den Opfern des Brandanschlags von Solingen gedacht, indem Blumen vor der Gedenktafel des Präsidiums niedergelegt wurden

Das Motto der Demonstration lautete, wie auch bei vorhergehenden Veranstaltungen, “Kein Fußbreit dem Faschismus” und das Aktionsbündnis für Solidarität und Frieden ist, neben Anderen, als Initiator genannt.  Das Aktionsbündnis für Solidarität und Frieden wird von “basta!” beschrieben als eine “internationale, türkisch-kurdisch-alevitisch-deutsche Initiative”.

Das diese in erster Linie, die Mitglieder des Dachverbands der PKK-Vereine in Deutschland, die YEK-KOM, wie auch den politischen Arm der PKK, die ERNK und Sympatisierende dieser Gruppe meine,  sei nur auf Plakaten mit dem Aufruf zur Teilnahme zu erkennen und werde als Information nicht hervorgehoben.

“Die schaffen es doch wirklich, ihrer aktuellen Verlogenheit, mit dieser Aufführung die Krone aufzusetzen!” so Mustafa Esmer. “Ich war Damals in Solingen und habe die PKK dort mitbekommen, die gegen uns, Türken aus ganz Deutschland, demonstrierten und uns als türkische Faschisten und mit weitaus Schlimmerem beschimpften. Flugblätter verteilten, wonach die Türkei “Völkermord” an den Kurden begehe und wüsteste Beleidigungen, gegen Türken im Allgemeinen, herausbrüllten.”

Eine schallende Ohrfeige für die türkische Community

Allein die Genehmigung für die Demo, die den Anspruch stelle, den türkischen Opfern gedenken zu wollen, sei eine schallende Ohrfeige, für die türkische Community und die ermordeten Türken, Damals wie Heute. Dass die PKK seit Jahrzehnten durch Terrorakte, gegen Türken, den Tod von mehr als 40 000 Menschen zu verantworten habe, nicht nur in der Türkei, auch in Deutschland und dass auf Ihren Veranstaltungen, Türken als “Atatürks-Bastarde” und schlimmer beschimpft würden, seien Fakten.

Wer ist die PKK und was hat das Alles mit Wuppertal/Deutschland zu tun?

Die Vorwürfe in Deutschland, gegen die PKK beschreibten die Verstrickung dieser kriminellen Vereinigung in Schutzgelderpressung, Drogen-und Menschenhandel, um ihren Terror, mit Geldmitteln aus Deutschland zu finanzieren. Die Ermordung von Personen, die sich weigerten, Schutzgeld an die PKK zu zahlen, sei bekannt in Deutschland, was in der türkischen Community, seit Jahren, auf Unverständniss stosse. Trotz Kenntnis, Beobachtung und Publikation, aller “Ersatz-Vereine” der PKK, in den Verfassungsschutzberichten, täte man so, als hätte das existierende Betätigungsverbot, aus dem Jahr 1993, nicht mit Diesen zu tun.

Neben den bereits benannten Delikten, die der PKK zugeschrieben werden, wird die PKK-Vereinigung auch mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. Der Landesverband Bayern – Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. stellt in seiner Publikation, zum Thema “Kindersoldaten” fest:  “Die Arbeiterpartei Kurdistans Partiya Karkerên Kurdistan (= PKK, eine Eigenbezeichnung) ist eine kurdische Untergrundbewegung mit Ursprung in der Türkei. Sie kämpft mit Waffengewalt für politische Autonomie kurdisch besiedelter Gebiete in der Türkei. Dabei verübt sie auch Anschläge auf zivile Ziele. Selbst wenn Kinder aus akuten Kriegsgebieten fliehen konnten, waren sie jedoch nicht unbedingt vor Rekrutierung gefeit, weil beispielsweise Flüchtlingslager militarisiert wurden.

Auch die grenzüberschreitende Rekrutierung war ein Problem. Bis 2004 rekrutierte der bewaffnete Arm der PKK auch Kindersoldaten aus der Türkei, Syrien und dem Irak, aber auch vereinzelt aus Schweden, Frankreich und Deutschland und bildete diese in Trainingslagern aus. 1998 betrug die Anzahl Minderjähriger bei der Organisation laut der Organisation CSC etwa 3000, von denen etwa ein Zehntel weiblich war. […] Das niedrigste dort verzeichnete Beitrittsalter lag bei 10 und 11 Jahren.”

Um den Unmut der türkischen Community zu verstehen, so Mustafa E. sei es wichtig, eine kleine Zeitreise zu machen.

Die damalige Berichterstattung in den deutschen Medien, bis weit in die 1980er zurück, sei in einem empirisch-signifikanten Ausmaß anti-türkisch. Auch linksliberale Presseorgane seien davon nicht ausgenommen gewesen.
Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher hätte während einer Anschlagsserie der PKK, am Nevroz-Feiertag, diese Stimmung genutzt und offiziell Protest, gegen das militärische Vorgehen der türkischen Regierung, an der Grenzgebieten zum Irak, eingelegt. Diese seien begründet worden, als Maßnahmen, die ein weiteres Einsickern von PKK-Aktivisten, aus dem Irak, verhindern sollten. Dadurch habe die PKK, die ursächlich für die damalige Gewaltspirale gewesen sei, massiven Auftrieb erhalten, betont er.

Zu gewaltsamen Aktionen kam es erstmals am 24. Juli 1993, als PKK-Anhänger das türkische Generalkonsulat in München überfielen und 20 Geiseln nahmen. Darauf folgend wurde eine öffentliche Erklärung des Bundeskanzlers zugunsten der „kurdischen Sache“ gefordert. Am selben Tag kam es deutschlandweit in mehr als 20 Städten zu 55 gleichzeitigen, gewaltsamen Aktionen der PKK gegen türkische diplomatische Vertretungen, Reisebüros, Banken und andere Einrichtungen. In den darauf folgenden Tagen kam es zu weiteren 25 Übergriffen. Es wird geschätzt, dass etwa 600 Personen an den Aktionen beteiligt waren. Am 4. November desselben Jahres kam es erneut zu Übergriffen. Dabei wurden gleichzeitig 59 Anschläge verübt. Es handelte sich dabei zumeist um Brandanschläge auf türkische Einrichtungen, bei denen ein Mensch in einer türkischen Gaststätte ums Leben kam. Die Konsequenz aus diesen Gewalttaten war ein am 26. November 1993 durch den Innenminister ausgesprochenes Betätigungsverbot für die PKK und die ERNK.

Die Schlägertrupps, die mit Äxten in türkische Reisebüros und Geschäfte eingedrungen seien, hätten sich “durch die Worte des damaligen NRW Innenministers Schnoor ermutigt gefühlt” sagt er und zitiert: “Ich kann nicht vor jeden türkischen Laden einen Polizisten hinstellen“. Viele Türken, erlebten die deutsche Politik und die hiesigen Medien als PKK-Sympathisanten und anti-türkisch, beschreibt er. Bereits Damals sei die Menschenrechtsargumentation, der deutschen Politik gegenüber der Türkei, Vielen vorgekommen, wie der blanke Hohn, da man tagtäglich den Umgang mit den (Normal-)Türken in Deutschland erlebte, unterstreicht Mustafa Esmer seinen historischen Rückblick und stellt fest aus: “In dieses Klima fiel 1988 der erste rechtsradikale Anschlag, dann Mölln und Solingen, als extreme Höhepunkte ethnisch motivierter Gewalt in Deutschland, bis Heute.” Die “Döner-Morde”, fährt er fort, nachdem er diese Wortkreation als “entmenschlichend” und “leider typisch” beschreibt, “sind schon ein ganz anderes Kaliber.”

“Warum demonstriert das Aktionsbündnis für Solidarität und Frieden denn nicht gegen die faschistische PKK?”

Viele Bundesbürger seien sich des Zusammenhangs, zwischem dem medial vermittelten “Türken-Bild” und den Brandanschlägen, gar nicht bewusst, genausowenig wie der Faktenlage im Südosten der türkischen Republik. Die Konsequenz sei gewesen, dass sich Deutschland zu einem Ballungsort, von PKK-Aktivisten und deren Aktivität entwickelt habe. Kritik von Seiten der Türken sei mit der “Faschismus-Keule” erschlagen worden und die fehlende, ausreichende Sprachkompetenz auf türkischer Seite, sei aus heutiger Sicht ursächlich für eine jahrelange Isolation der Türken und ihrem Blickwinkel! Dies habe sich geändert, betont er und fasst zusammen: “Wir wehren uns dagegen, von PKK-Funktionären und den Sympatisanten derer kranken Ideologie, instrumentalisiert und missbraucht zu werden […] Warum gehen die nicht, gegen die PKK, also gegen sich selbst demonstrieren? Wo sei denn der Unterschied, zwischen dem NS-Untergrund und der PKK, fragt er, “nur weil die PKK einer roten, faschistischen Ideologie folgt und einen roten Verbrecher verehrt und der NS-Untergrund einen Braunen?”